«Investieren in die Schweizer Spitzenposition! Weshalb sich Stiftungen in der Schweiz für Wissenschaft und Forschung engagieren sollten.»

Interview mit Simon Sommer

Die Schweiz nimmt weltweit eine Spitzenposition in Wissenschaft und Forschung ein. Ihre Hochschulen gelten als sehr innovativ und sie pflegt eine äusserst dynamische Forschungstätigkeit. Dies eröffnet grosse Chancen für Stiftungen, sich wirksam und sichtbar zu engagieren. Mit einem Engagement können sie die Zukunft aktiv mitgestalten.

Simon Sommer, wie wichtig ist die Philanthropie für Wissenschaft und Forschung in der Schweiz?

Wichtig. Das Schweizer Wissenschaftssystem ist im weltweiten Vergleich mit öffentlicher Finanzierung sehr gut ausgestattet. Dennoch ist es sinnvoll und möglich sich für gewisse Themen vertieft einzusetzen. An zwölf Schweizer Hochschulen, acht Fachhochschulen und zwanzig pädagogischen Hochschulen herrschen tolle Arbeits- und Forschungsbedingungen. Der Schweizer Nationalfonds (SNF) weist 2018 eine hohe Erfolgsquote von knapp 50 Prozent aus in der Projektförderung mit ca. 1,14 Milliarden Franken bewilligten Mitteln. Keine andere öffentliche Forschungsförderin weltweit erreicht dieses Verhältnis.

Welches sind die wichtigsten Akteure in Wissenschaft und Forschung?

Vorweg sind es die Forscherinnen und Forscher, die Hochschulen, die Fachhochschulen, die Wissenschaftsmedien und natürlich auch die Wirtschaft mit ihren vielen Akteuren. Ergänzt wird die Vielfalt mit engagierten Stiftungen und Hochschulstiftungen. (ETH Zürich Foundation, Philanthropy @ EPFL, UZH Foundation)

Lohnt sich die Förderung von Wissenschaft und Forschung für kleine Stiftungen?

Trotz Komplexität der Materie lohnt sich ein Engagement für kleine Stiftungen. Sie können sich durch eine der professionell geführten Hochschulstiftungen vertreten lassen. Diese bezwecken die Förderung von Forschung und Lehre an der jeweiligen Hochschule. Ihre Dienstleistungen reichen von der Einrichtung einer Unterstiftung bis hin zum Management gemeinsamer Auswahlprozesse.

Wie gut funktioniert die Philanthropie bei Wissenschaft und Forschung?

Wir haben hier in der Schweiz eine aktive Wissenschaftsförderung, insbesondere, weil es namhafte Stiftungen, die sich entschieden haben, mutig selbstständige und wirkungsorientierte Wissenschaftsförderung zu betreiben. Eine davon ist die Forlen Stiftung in Basel, welche ihren Fokus bei der medizinischen Fakultät und beim Swiss TPH, beim Schweizerischen Tropeninstitut, gesetzt hat. Mit solchen Engagements tragen Stiftungen zur Spitzenposition der Schweizer Wirtschaft bei. Der ständige Austausch mit ihren wissenschaftlichen Partnern behält die Stiftungen selbst «am Puls der Zeit». Aktive Wissenschaftsförderung verhindert Stillstand – auch beim Förderer selbst!

Und wo liegen die grössten Herausforderungen in der Förderung von Wissenschaft und Forschung?

Stiftungen sollten sich weiter professionalisieren und Fachleute aus den jeweiligen Fachgebieten ins Boot holen. Leider höre ich oft, mit der Förderung von Wissenschaft und Forschung könne man hierzulande keine Wirkung erzielen, weil Forschung sehr teuer sei. Durchschnittlich geht man von rund 400’000 Franken aus, bei zwei Doktorierenden, während drei Jahren. Diese Annahme könnte meiner Meinung nach falscher nicht sein. Denn die hervorragende Positionierung der Schweizer Wissenschaft eröffnet grosse Chancen für Stiftungen, sich wirksam und sichtbar zu engagieren. Für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Graduate Campus. Das Setzen von thematischen Schwerpunkten: Swiss EdTech Collider. Für die Finanzierung origineller und riskanter Projekte: Microbials. Praxisnahe Innovationsforschung an Fachhochschulen in Zusammenarbeit mit KMU und anderen Praxispartnern: Innosuisse.

Wie kann diesen Herausforderungen begegnet werden?

Von zentraler Bedeutung sind bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung die Definition klarer und genügend enger Leitlinien. Denn es gibt kein Thema, zu dem nicht irgendwo geforscht wird. Ob beim Aufbau als Stiftung eines eigenen Förderprogramms oder der Zusammenarbeit mit einer Universitätsstiftung: will man in der Forschungsförderung Wirkung erzielen, ist die eindeutige Fokussierung essenziell. Diese Entscheidung sollte jede Stiftung selber treffen! Hat die Förderung oder die Zusammenarbeit begonnen, sind Freiheit und Unabhängigkeit der Wissenschaft das höchste Gut. «Nachsteuern» geht in der Regel nicht, und das ist auch gut so.

Wofür spenden Sie persönlich und was ist Ihre Motivation?

Entwicklungshilfe ist mir ein Anliegen, deshalb spende ich immer wieder bei Helvetas.

Wo sind Sie ehrenamtlich engagiert?

Seit Jahren engagiere ich mich als Assessor bei der Schweizerischen Studienstiftung. Diese hat sich zum Ziel gemacht, junge Menschen zu fördern. Talente, die durch besondere Leistungen hervorstechen, sollen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik mit neuen kreativen Ansätzen voranbringen.

ÜBER DEN AUTOR

Simon Sommer

In seiner bisherigen Funktion als Forschungsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung war Simon Sommer verantwortlich für die Finanzierung von Forschungsprojekten, das Jacobs Foundation Research Fellowship Program, die Interventionsforschung, die jährlichen Jacobs Foundation Konferenzen sowie für Workshops und Symposien auf Schloss Marbach. Er entwickelte und initiierte den Klaus-J-Jacobs-Forschungspreis als grösste und renommierteste Auszeichnung für Forschung zur Kinder- und Jugendentwicklung. Bevor Simon Sommer 2006 zur Jacobs Foundation kam, arbeitete er bei der Volkswagenstiftung in Hannover, Deutschlands grösstem privaten Forschungsförderer, und als Unternehmensberater bei McKinsey & Company in Berlin. Simon Sommer hat einen Abschluss in Kulturwissenschaften und Musikwissenschaft von der Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland, und der University of Maryland, College Park, USA.